Ich gebe es zu – Netflix, Amazon Video, Watchever, Sky Go und Co. haben mich gründlich versaut. Breaking Bad, House of Cards, Sense 8, Hell on Wheels, The Knick, Boardwalk Empire, Homeland und wie die schrägen, abseitigen, coolen Serien alle heißen. Kein Plot ist mir zu abgefahren, um nicht die eine oder andere Nacht vor dem Bildschirm zu verbringen. Binge-Watching – Koma-Glotzen – droht zu einer ernsthaften Krankheit zu werden, oder zumindest zu einem Grund für ausgeprägte, dunkle Augenränder. Schuld daran sind eben Flatrate-Videotheken. Für Serienfans sind die ein echter Segen.

Wie schön, wenn das Dein Job ist – könnte man meinen. Wenn man außer Acht lässt, dass man beim Testen eben nicht die ganze Zeit Filme und Serien guckt, sondern eher systematisch untersucht, was es gibt, wie man es abruft und welche Randbedingungen es sonst noch so gibt. Gerade erst durfte ich mal wieder für die Zeitschrift video einen umfassenden Test aller Abo-Onlinevideotheken in Deutschland verfassen, die in Deutschland ein pauschales Abo-Angebot bieten. SVoD nennt das der Insider – kurz für „Subscription Video on Demand“. Nach den neusten Daten erreicht dieses Unterhaltungssegment mittlerweile ein ernsthaftes Marktvolumen: Das Statistikportal Statista benennt es für 2015 auf 132 Millionen Euro, rund drei Millionen Nutzer sollen dieses Jahr Angebote wie Amazon Prime Video, das Maxdome Paket oder Netflix nutzen. Damit kommt das junge Segment ganz flott voran – ich kann gar nicht genau sagen, wie lange Pay-TV in Deutschland gebraucht hat, um 3 Millionen Nutzer zu sammeln. Zehn Jahre? Zwanzig?
Spannend ist ja daran, dass mit Netflix der weltweit größte Player mit einem unglaublich einfach nutzbaren, genial personalisierten und total kundenfreundlichen Angebot erst recht spät in Deutschland gestartet ist und seit einem guten Jahr den Markt aufrollt. Zur Kundenfreundlichkeit fällt mir da immer der Spruch von Netflix-CEO Reed Hastings ein: „Kündigen muss einfacher sein als Anmelden“. Bei Netflix ein Mausklick, egal wann. Bei Maxdome muss ich heute noch 14 Tage Kündigungsfrist zu welchem Termin auch immer einhalten (nicht das Monatsende, sondern das Datum der Buchung). Und nach jedem Test muss ich ein nerviges Telefonat mit der Hotline über mir ergehen lassen: Nein, ich will das Paket zurzeit nicht länger nutzen. Nein, es ist nicht wegen Euch oder dem Angebot, sondern, weil ich Maxdome & Co. immer mal teste. Nein, es ist nur, weil ich nicht alles immer bei allen gucken kann. NEIN, ich will auch nicht drei Monate zum Preis von Einem!!! Auch keine Fünf für Zwei!!!!!!!

Spannend ist jedenfalls, wie sich das Ganze weiter entwickelt. Watchever etwa hat schon anderthalb Jahre lang vorher versucht, den Markt zu besetzen – mit einem wirklich ganz attraktiven Angebot, das zu seiner Zeit auch revolutionär war – damals hatte SVoD-Pionier Maxdome schließlich noch Pakete im Angebot, auf denen stand dick und fett: „Abonnier‘ mich auf keinen Fall, denn Du muss Dich mindestens ein Jahr lang binden!“

Als dann Netflix an der Tür klopfte, kam plötzlich auch der Pay-TV-Premiumanbieter Sky – Kostenpunkt: über 25 Euro pro Monat für vergleichsweise klassisches, überwiegend lineares, aber dennoch attraktives Pay-TV – mit günstigen Einstiegs-Lösungen im Streamingbereich. Plötzlich senkt eben dieser teure Medienkonzern beinahe quartalsweise die Preise für seine Streamingpakete, wie er es kurz nach dem aktuellen Test in der video tat.

Kurzum: Hier ist ´was los, da bewegt sich ein Markt, und der macht mit seinen Inhalten auch noch richtig, richtig Spaß. Denn von den Serien aus dem Hause Amazon und Netflix habe ich hier ja noch gar nichts groß erzählt. Da gibt es auch nicht viel zu erzählen. Die kann man nur anschauen. Nein, man muss Serien-Eigenproduktionen wie „Mozart in the Jungle“ (Amazon), „Narcos“ (Netflix), „Transparent“ (Amazon), „Sense 8“ (Netflix), „Better Call Saul“ (Netflix) und so weiter und so fort – einfach mal anschauen. Da entsteht derzeit vor allem bei Netflix eine veritable neue Kunstform: Fiktionale Serien mit Plots, die mal eine halbe Pilotfolge oder auch fünf Episoden brauchen, bis sie sich voll erschließen. Serien-Ideen, die jeder Privat-TV-Manager, der nicht bei drei auf den Bäumen ist, vom Tisch fegt. Vieles ist sperrig, manches unbequem, hin und wieder wird’s einfach unverständlich. Aber unterm Strich ist all das grandiose Unterhaltung. Und bei den beiden großen US-Anbiertern auch noch in ziemlich feiner UHD-Qualität.

Testchef Roland Seibt von der video hält mir zwar immer wieder entgegen, dass diese Art von UHD bei weitem nicht das ist, was eine kommende neue UHD-Blu-ray-Ultradisc bieten könne. Da hat er sicher Recht. Doch bis die tatsächlich kommt und bezahlbar wird, schaue ich mir das sehr gerne als Streams bei Amazon und Netflix an. Und dabei macht mir mein Job dann tatsächlich richtig Spass.