Das Jahr 2017 ist zu Ende. Es war, rein geschäftlich, wirklich gut, denn es gab mir neben guten Geschichten und tollen Kunden auch das Gefühl, ein paar Weichen Richtung Zukunft stellen zu können.

Vielleicht komme ich in den nächsten Tagen dazu, etwas zu neuen inhaltlichen Herausforderungen und Projekten zu verfassen. Hier und heute soll es um die eigene Betriebsausstattung gehen.

Der smarte Diesel in Feinstaub-City

Zukunft, das bedeutet für einen Fahrrad-affinen Stuttgarter zum Beispiel, sich ein paar Gedanken über die Mobilität zu machen. Und über die Karre, die auf einem teuren Außenstellplatz vor dem Haus täglich viel Geld verbrennt und unterwegs viel mehr verbraucht und mehr Feinstaub ausstößt, als der französische Hersteller angibt. Nicht nur große Deutsche Autobauer reizen offenbar die Thermofenster ihrer Reinigungssysteme bis mindestens an die Grenze des gesetzlich Zulässigen aus.

Dann wurde unser Smart Car mit seiner „Keyless Entry“ Zentralverriegelung zwei Mal kurz hintereinander geknackt. Das Auto war morgens durchwühlt, ohne mechanisch aufgebrochen worden zu sein. Von der Vertragswerkstatt, ein  “Bester Autohändler Deutschlands“ (Auto Bild) mit „100% TÜV geprüfter Servicequalität“ (TÜV Rheinland) gab es dazu rund 95% Schulterzucken. Der Geschäftsführer ließ über einen Servicemitarbeiter ausrichten, es gäbe kein Mittel dagegen, außer die Schließ-Automatik zu deaktivieren und das Auto mit dem Not-Schlüssel zu- und aufzuschließen. Der viel gerühmte „Smart Car“ ist also doch nicht ganz das universelle Vorbild für intelligente Häuser, wie ich sie in verschiedenen Publikationen immer wieder vorstelle.

Zusammen mit der Tatsache, dass der Wert des knapp fünf Jahre alten Turbodiesel mit „Filtre à Particules“ durch alle möglichen Einflüsse virtuell in den Keller sackte, fiel uns im Büro- und Familienkreis die Entscheidung leicht, das Auto zu verkaufen. Ersatzlos. Ein Blick aus dem Fenster auf zwei (inzwischen drei) Stadtmobil-Carsharing-Stellplätze auf dem Nachbargrundstück erleichterte das Vorhaben.

Wie werde ich mein Auto in 30 Minuten los?

Nachdem ich kein Ersatzauto kaufen wollte, kam eine Inzahlungnahme beim Autohaus nicht infrage. Der private Automarkt über Anzeigenblätter existiert praktisch nicht mehr. Dafür gibt es Alternativen: Der serviceorientierte Mitarbeiter der Firma „wirkaufendeinauto.de“ in der Stuttgarter Niederlassung des europaweit tätigen Ankauf-Unternehmens sitzt genau dort, wo meine Eltern in den 1970er-Jahren ihren VW Variant 1700 zum Service brachten. Im beschaulichen Stuttgart-Botnang bekommt man statt neuer Volkswagen heute Autos jeder Marke in 30 bis 60 Minuten los: Online Termin ausmachen, hinfahren, untersuchen lassen. Der Mitarbeiter trägt alle möglichen Daten in eine App ein, misst dabei Reifen-Profiltiefe, Lack-Dicke, macht mit dem Tablet-Computer Fotos und schickt am Ende alles per Fingertippen an seine Zentrale, wie er mir während der Prozedur erzählt.

Zwei Stunden später flattert das verbindliche Angebot in den E-Mail-Posteingang. „Die meisten Autos, die wir zurzeit ankaufen, sind Diesel im Alter Ihres Autos oder jünger,“ sagt der wirkaufendeinauto-Mitarbeiter. Und: „Viele kommen von VW- und Audi-Händlern.“ Das sind dann Leasing-Rückläufer oder Inzahlungnahmen, die über die Autohäuser derzeit nicht verkäuflich sind. Jedenfalls nicht für einen guten Preis.

Der Preis für meinen Wagen ist nicht astronomisch hoch, aber mehr, als ich angesichts der Diesel-Debatte erwartet hätte. Versteuern muss ich die Einnahme ohnehin, es ist ja mein Firmenauto. Auch die ultraschnelle Abwicklung ist mir etwas wert – keine langen Verhandlungen, keine Diskussionen um kleine Kratzer oder einen Fleck im Polster. Kurzum: Jetzt fährt der Scenic anderswo in Europa. Dort, wo keine Fahrverbote drohen. Noch keine.

Früher: eigenes Auto. Jetzt ganz Viele.

Ich fahre Auto, seit ich 18 bin – dieses Jahr seit 30 Jahren. Ich fahre gern selbst und werde das auch weiter tun. Zurück vom Autoankäufer zum Beispiel mit einem Elektro-Smart von Car2Go. Die Dinger machen einen Heidenspaß. An der Ampel gehen sie ab wie Schmidt’s Katze. Man kann mit ihnen prima abends innerhalb der Stadt zu einer Party fahren. Zurück geht es dann zu Fuß, per Nachtbus oder mit dem Taxi.

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Familienkutsche oder Dienstwagen? Kommt darauf an, was man einpackt und wohin es geht… Foto: R. Otter

Für Einkaufsfahrten, den Urlaub, Dienstreisen aufs platte Land und andere Touren nehmen wir jetzt Stadtmobile. Die Grundgebühr für dieses erfolgreiche Carsharing-Angebot kostet im Business-Tarif für berufliche Vielfahrer 29 Euro pro Monat (inkl. Mehrwertsteuer). Allein unser Stellplatz hat 60 Euro Miete gekostet. Eine zweitätige Dienstfahrt mit dem Opel Astra Kombi (Diesel) oder neuerdings Toyota Auris (Hybrid) nach München und zurück schlägt mit rund 150 Euro zu Buche. Mit dem Zug ist das günstiger, und ich kann unterwegs arbeiten oder ausruhen. Also wird jetzt auch mehr Zug gefahren. Dennoch: Gut 2000 Euro netto fürs Selbst Fahren stehen seit Juni 2017 in der Buchhaltung. Das meiste davon für Stadtmobil, knapp 100 Euro für Car2Go sowie 60 Euro für ein Mietfahrrad während der IFA in Berlin. Die Bahn hat von mir 2017 knapp die Hälfte davon bekommen.

Spannend ist der Vergleich zu bisher: Mein Auto kostete rund 5200 Euro Betriebskosten, Reparaturen, Service, Stellplatz, Steuer und Versicherung pro Jahr, plus Abschreibung – in meinem Fall rund 3200 Euro. Für das Geld kann man viel Carsharing bezahlen.

Voll beladen ohne Auto in der Stadt

Viel ist von der neuen E-Mobility die Rede. Ich schreibe schon seit längerer Zeit immer wieder darüber, wie Häuslebauer einen Gutteil der Energie für ihr E-Auto auf dem eigenen Dach produzieren können. Doch in der Stadt hat man einerseits oft kein eigenes Dach. Und andererseits sind E-Autos sündhaft teuer, in Summe nicht unbedingt umweltfreundlicher – Stichwort Gesamtenergiebilanz – und in ihrer Reichweite stark eingeschränkt. Eine Lösung gegen den Stau bieten sie erst Recht nicht.

Doch es geht noch einfacher: Das Auto Auto sein lassen und strampeln. Seit Oktober 2017 bin ich stolzer Besitzer eines nagelneuen E-Lastenrades mit einer Zuladung von bis zu 200 kg, Laderaum für vier Getränkekisten und einer Reichweite von 40 bis 80 Kilometer. Mit dem Riese & Müller Packster 80, fahre ich Testgeräte-Lieferungen zur Post, besorge alles, was im Alltag fürs Redaktionsbüro (und auch für den Haushalt) notwendig ist und besuche Kunden im Umkreis, wenn ich nicht verschwitzt mit dem Rennrad ankommen möchte. Das Rad hat rund 4100 Euro gekostet – plus Mehrwertsteuer.

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Dienstfahrzeug vor Redaktionsbüro: Der neue Packesel Packster 80. Foto: R. Otter

Als Dienstfahrzeug aber nur die Hälfte: Das Verkehrsministerium des Landes Baden Württemberg subventioniert im Förderprogramm „Elektrolastenräder im gewerblichen Einsatz“ bis zu 50 % des Kaufpreises – in meinem Fall also 2000 Euro. Der Antrag ist individuell zu stellen, neben Gewerbetreibenden können auch Freiberufler und sogar Vereine, die sich der Förderung alternativer Transportkultur oder Ähnlichem widmen, die Subvention beantragen. Im Klartext: Mein neuer Dienstwagen mit zwei Rädern, Fitness-tauglichem Elektroantrieb und der Ladekapazität eines Renault Twingo wurde dem Redaktionsbüro knapp zur Hälfte vom Staat geschenkt. Man könnt auch sagen, ich habe ein Pedelec als Dienst-Fahrrad gekauft und bekam die Ladefläche gratis dazu.

Aktualisierung Juni 2019: Das Förderprogramm läuft weiter, zahlt jetzt allerdings „nur“ noch 30 Prozent des Kaufpreises und bis zu 3000 Euro netto. Was ja immer noch eine vergleichsweise großzügige Förderung ist. Dafür gibt es jetzt ein Antragsformular und die Abwicklung über die L-Bank. Das Thema wurde also offenbar professionalisiert.

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Alltag im Lastenrad: Elektroschrott, Leergut und Testgeräte auf dem Weg zu ihren Bestimmungsorten. Foto: R. Otter

Wir geben dem Gemeinwesen für das viele Geld etwas zurück, indem wir innerhalb der Stadt statt per Auto fast alles mit dem Rad transportieren. Das klingt vielleicht etwas schwülstig, aber in Summe wird ein Schuh daraus: In unserer Gegend fahren immer mehr Leute mit Lastenrädern oder Pedelec plus Anhänger zum Einkaufen, transportieren ihre Kinder zur Kita oder Pakete zur Post. Lauter Stadtbewohner, die eine praktische Innovation – Fahrrad plus starker Motor plus Ladefläche – zu schätzen wissen und damit lauter einzelne Autos von der Straße nehmen.

Andererseits es ist auch ganz schön cool, dieses Rad-Monster mehr oder weniger elegant vor dem Gerber abzustellen und unter der Plane je zwei leere Bier- und Sprudelkisten auszuladen. Und es ist praktisch, dann auf dem Rückweg den Antrieb auf Turbo zu schalten, um eben auch trotz 200 Kilogramm Gesamtgewicht fast 20 Sachen schnell den Berg hochzugleiten.

Ein Fazit, zwei Fragen und eine Bitte

Fazit: Seit dem 9.5.2017, als ich unser Auto zum letzten Mal sah, habe ich es keinen einzigen Tag wirklich vermisst. Hin und wieder geht man ein paar Schritte weiter zum Stadtmobil-Stellplatz und muss vorher überlegen, wann man wohin losfahren muss und ob es das Auto sein muss. Dafür steht jetzt ein Kleinwagen für Kurzstrecken, der Kombi für längere Touren und auch mal einen Kleinbus für den Familienausflug zur Verfügung. Wenn meine Frau und ich gleichzeitig ein Auto brauchen, dann gibt’s auch zwei davon. Für Kurzstrecken und alltägliche Besorgungen in der Stadt hat das zweirädrige Lastenmonster inzwischen sogar das Stadtmobil überwiegend verdrängt.

Und die Fragen? Erstens: Warum bekommen nicht auch „Normalos“, also Privatpersonen, einen Zuschuss zum Kauf eines E-Lastenrades? Einfach so, als Subvention für sauberen Verkehr – und einen Wirtschaftszweig, in dem deutsche Hersteller wie Bosch und Brose (Antriebe) sowie Riese & Müller oder Radkutsche (E-Lastenräder) mit den Ton angeben. Das wäre sicher eine sinnvolle Umleitung des Ladenhüters „Elektroauto-Prämie“, der 2019 mit großem Überschuss auslaufen dürfte.

Noch eine Ergänzung im Juni 2019: In Stuttgart existiert inzwischen eine Förderung für E-Lastenräder an Familien mit Kindern, deren Höhe u.a. auch daran gekoppelt ist, ob die Familie entweder kein Auto hat oder innerhalb von ein bis zwei Jahren nach der Anschaffung des Packesels ein Auto dauerhaft abschafft. Die war im ersten Anlauf in kürzester Zeit ausgebucht. Ich kenne eine ganze Reihe Familien und Alleinerziehende, die jetzt per Lastenrad die Kleinen in die Kita bringen. Die Kehrseite: Als Lastenroller ist man jetzt kein Exot mehr. Damit kann ich gut leben 😉

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Fährt mit: Bürohund Charlie auf dem Weg zum gepflegten Büroschlaf. Foto: R. Otter

Zweitens: Wann werden unsere Städte wirklich fit fürs Radeln gemacht? Fahrräder werden heute scheinbar willkürlich zwischen Auto- und Fußgängerverkehr hin und her gereicht. Mal fährt man erlaubter weise gegen Einbahnstraßen, mal auf freigegebenen Gehwegen zwischen Kinderwägen und Senioren durch. Dass Radler– vor allem die mit Lastenrad –  hier wie dort massiv stören, ist logisch. Ein Blick auf die wenigen Fahrradstraßen in Stuttgart zeigt aber, dass umgekehrt ein Schuh daraus wird: Wer (Fahrrad-)Straßen sät, der wird (Fahrrad-)Verkehr ernten.

Dies ist natürlich eine rein persönliche Betrachtung aus meinem Alltag. Die Situation anderer Menschen sieht ganz anders aus. Viele sind ganz und gar auf ihr Auto angewiesen. Sei es mangels naher Carsharing-Angebote  oder, weil sie wegen zu großer Distanzen nicht mit dem Fahrrad fahren können. Nehmt diese Betrachtung deshalb bitte nicht als Blaupause. Vielleicht als Denkanstoß.

Ergänzung: Zwei lohnende Links zu Leuten, die meine Gedanken und Ansichten auf ihre Art teilen:

Andreas Mahler aus Augsburg ist schon etwas länger Ohne Auto im Alltag Mobil. So heißt auch sein Blog – lesenswert!

Alexander Hanisch aus Esslingen betreibt seit ein paar Jahren den Pedelcomnitor. Das ist mehr als nur ein Blog, denn er wertet darin die Fahrdaten, Zuverlässigkeit- und Pannenwerte von hunderten Pedelecs aus. Wir sind uns in Stuttgart über den Weg gelaufen  (ja, das Rad stand da gerade). Seitdem erfährt sein Blog auch meine Daten.